Papa sein dagegen sehr.
Rikki Tim-Tom
oder
587 Möglichkeiten, ein Baby falsch zu halten

Ein Fortsetzungstagebuch

Das vierte Jahr, Monat 5

5-55

Ein Märchen

Längst war der Tag zur Neige gegangen, und alle schliefen tief in Ihren Bettchen.

Links außen die Mama, daneben Tim, daneben die Rikki, und außen am anderen Ende der Papa. Und keiner hat mitbekommen, was die Rikki für Besuch bekommen hat. Oder ist es vielleicht so, dass die Rikki jemanden anderen besucht hat?

Jedenfalls unterhielten sich die beiden auf eine seltsam vertraute Weise, und die Rikki war kein kleines Kind, sondern redete ganz ernsthaft mit ihrem Partner, als sei dies das normalste auf der Welt.

„Du hast noch so viel zu erfahren Rikki“, hörte sie die Stimme ihres Partners. „Das geht nicht, wenn Du nicht körperlich fit bist. Du darfst nicht so viel essen, Dein Körper verträgt das nicht. Du wirst faul und träge durch Dein Verhalten.“

„Du hast gut reden“, erwiderte Rikki, „aber so leicht ist das nicht. Den ganzen Tag wird bei uns gegessen. Bevor ich am morgen noch richtig wach bin, stellt mir mein Papa schon eine Flasche Kaba hin. Und überall gibt es Süßigkeiten. Es kann sogar vorkommen, dass der Papa schon den Mittagstisch deckt, und meine Mama gibt mir trotzdem noch schnell ein paar Gummibärchen“.

„Aber die musst Du ja nicht nehmen, oder?“

„Aber ich hab mich doch so dran gewöhnt!“ Kläglich schaut sie ihr Gegenüber an. „Und sie schmecken ja auch so gut. Weißt Du, als Erdenbürger hast Du so viele Sachen um Dich herum, da fällt es Dir wirklich nicht leicht, immer nur das gute zu tun und zu denken.“

„Schau, aber deswegen komme ich doch immer wieder zu Dir. Ich versuche doch, Dir zu helfen, wenn ich Dich besuche.

„Es ist ja auch immer so schön, wenn Du da bist. Bei Dir fühle ich mich so wohl wie nirgendwo sonst!“

„Aber Rikki, ich liebe Dich ja auch sehr. Aber wir haben Dich Eltern gegeben, die nur für Dich und Deinen Bruder da sind, und die alles für Euch tun, was sie können. Und in Deinem Menschenleben hast Du die besten Voraussetzungen bekommen, um Deine Aufgaben hier zu erfüllen.

„Ich würde auch nie etwas gegen meine Mama sagen oder gegen meinen Papa. Ich hab sie wahnsinnig lieb. Aber wenn ich Lust auf Schokolade habe, bist Du ja nicht hier, und am Tag weiß ich auch gar nichts von Dir, dann will ich einfach zugreifen.“

„Aber an Deinen Aufgaben musst Du arbeiten, und wenn Du auch noch klein bist, so trägst Du doch schon Verantwortung für Deinen Körper. Denk doch nur mal dran, wie es wäre, wenn ich immer um Dich herum wäre und Dir helfen würde. Dann hättest Du doch gar keinen Verdienst an dem, was Du leistest. Du musst doch aus eigener Entscheidung heraus das richtige tun.
Und übrigens,“ und ein ganz kleiner Tadel war in der Stimme zu hören, „Du weißt doch, dass ich immer, tag und nacht, bei Dir bin und für Dich da. Nur musst Du am Tag ganz fest an mich denken, wenn Du mich hören magst. Aber das weißt Du doch alles schon, oder?“

„Natürlich weiß ich das. Aber jetzt, wenn ich so mit Dir zusammen bin, sehe ich das alles ganz klar. Ich weiß ja auch, dass es besser für mich wäre, wenn ich weniger essen würde. Aber am Tag, da bist Du für mich nur wie eine Geschichte, da weiß ich oft gar nicht, ob ich an Dich glauben soll oder nicht. Und immer sind um mich herum Leute, die essen. Wenn mein Papa von der Arbeit kommt, egal, ob am Mittag oder abends, ist das erste, was er will, wenn er mit begrüßen fertig ist, etwas zu essen. Und abends sitzen wir vor dem Fernseher, und ich habe fast noch nie erlebt, dass da nicht irgendwelche Tüten ausgepackt werden. Weißt Du, was mein Papa wiegt? Über hundert Kilo wiegt der. Und jetzt ist bald Weihnachten. Kannst Du Dir vorstellen, was das bedeutet? Ehrlich, bitte, hilf mir auch am Tag ein bisschen mehr. Ich will ja gerne etwas weniger essen, wenn das so wichtig für mich ist. Aber bitte bitte hilf mir dabei.“

Ein ganz leises Seufzen erfüllte den Raum, bevor der Besucher wieder sprach. „Ja, Dein Papa… es wäre für ihn auch gut, wenn er mal öfter an uns denken würde. Weißt Du, je älter die Menschen werden, desto schwieriger ist es oft für sie, uns zu hören. Aber gut, ich will Dir helfen. Jetzt ist es erst mal Zeit für Dich, zurück zu kehren in Deinen Körper und zu Deiner Familie.“

Und kein bitten und betteln half, Rikki war wieder in ihrem Körper im Schlafzimmer, und im Raum war nur noch sie und ihr kleine Bruder und die Eltern. Und keiner hatte auch nur die geringste Vorstellung von dem, was die Rikki gerade erlebt hatte.

 

 

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