Papa sein dagegen sehr.
Rikki Tim-Tom
oder
587 Möglichkeiten, ein Baby falsch zu halten

Ein Fortsetzungstagebuch

Das erste Jahr, Woche 4
Kapitel 1/9

Spaghetti für Rikki

 

Wir bekommen Besuch. Wir haben die Mama, die neben Irena im Zimmer lag, mit Mann und Baby zum Essen eingeladen. Gabriel ist nur ein paar Stunden älter als Rikki, und es fasziniert mich, einen Menschen zu kennen, der gleich alt ist wie unsere Tochter. Werden die beiden ein ähnliches Schicksal haben?

Ich wäre begeistert, wenn ich einen Menschen kennen würde, der am gleichen Ort und zur gleichen Zeit geboren ist wie ich. Was ist das wohl heute für ein Mensch, der das gleiche Horoskop hat wie ich? Die Familie von Gabriel ist mir sehr sympathisch, und wenn ich es einrichten kann, möchte ich, dass wir nicht den Kontakt verlieren und uns immer mal treffen, um zu sehen, wie unsere Kinder sich entwickeln.

Es ist jetzt schon einen Monat her, dass wir Männer im Krankenhaus waren und Champagner getrunken haben, und die Frauen haben in ihrem Bett gelegen und versucht, sich von der Geburt zu erholen. Heute sind beide frisch, und man kann Ihnen die Strapazen nicht mehr ansehen. Aber ich denke mir, es ist ein bisschen wie ein Geheimnis, das uns verbindet, dass wir uns unter so interessanten Begleitumständen kennen gelernt haben. Wir verstehen uns ausgezeichnet, schauen das Haus an, tauschen Erinnerungen an die Geburt aus, erkundigen uns nach den Gewohnheiten unserer Kinder, und bald kommt das Essen auf den Tisch. Es gibt Spaghetti mit Tomaten-Käse Soße.

Ich weiss nicht warum, aber plötzlich tauche ich meinen Finger in die Soße, und tippe damit auf Rikkis Lippen. „Willst Du auch mal probieren, Rikki?“

Gesagt hat keiner etwas, aber ich spüre im gleichen Moment, wie ich das tue, die Abwehrhaltung von allen anderen, die am Tisch sitzen. Ich weiss ja selber nicht, welcher Teufel mich geritten hat, das zu tun. Ein Baby im Alter von vier Wochen, das gestillt wird, kriegt Muttermilch, vielleicht mal ein Fläschchen Tee und sonst nichts. Wenn ich Lust auf Experimente hätte, würde ich das mal ganz heimlich tun, um die Reaktion der Rikki zu testen. Aber so schaut es ganz so aus, als wollte ich mit meiner Tochter angeben, als wollte ich sie zum Superstar machen, die ganz selbstverständlich Sachen macht, die sie nach ihrem Alter noch lange nicht machen kann und soll. Im nachhinein komme ich mir vor wie ein Fussballspieler, der plötzlich ohne Grund einen Ball mit der Hand fängt, ohne vom Gegner bedroht zu sein, und der sich sein Verhalten danach selber nicht erklären kann.

Jedenfalls ist die Familie bald danach nach München gezogen und wir haben sie niemals mehr wieder gesehen.

 

 

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