Papa sein dagegen sehr.
Rikki Tim-Tom
oder
587 Möglichkeiten, ein Baby falsch zu halten

Ein Fortsetzungstagebuch

Tag 1,
Kapitel 1/3

„Es ist ein Mädchen! Und es kann sprechen!“

 

Das ist mein Baby. Ich schaue ihm in die Augen. Sie sind dunkel-violett, und ich werde diesen Anblick nie vergessen.

Unter Fotografen gibt es den Spruch: Die besten Bilder sind die, die man nicht fotografiert hat. Hier bewahrheitet er sich. Diese Augen gab es nur eine halbe Stunde nach der Geburt, und es gibt kein Bild davon. Aber die Augen haben sich in mein Bewusstsein gegraben, und obwohl ich glaube, dass ich eine solche Farbe nie mehr zu sehen bekommen werde weiss ich doch, dass ich sie jederzeit wieder erkennen würde.

Zu meiner Frau sage ich: „Es ist ein Mädchen. Und es kann sprechen“.

Tatsächlich- sie schreit nicht, aber es kommen Laute über Ihre Lippen, als wäre sie sehr zufrieden. Und Irena bekommt das Baby auf den Bauch gelegt, und erst jetzt wird mir klar: Das Baby ist hier und es wird nie mehr weg von mir sein.

Daran hatte ich bis jetzt überhaupt noch nicht gedacht.

Und unglaublich- die ganze Geburt von der ersten Wehe bis jetzt hat gerade mal 3 ½ Stunden gedauert. Auf der einen Seite freue ich mich über diese weltrekordverdächtige Zeit, auf der anderen Seite klingt das so unglaublich, dass das nur so kurz gewesen sein soll. Ganz heimlich denke ich daran, dass man damit wohl nicht sehr viel angeben kann.

Die letzten Schmerzen sind schon sehr in der Erinnerung verblasst. Die Wehen für die Nachgeburt und das Nähen ganz ohne jede Betäubung kommentiert Irena mit den Worten: „Das ist wie Ameisengekribbel!“

Und wieder werden Formulare ausgefüllt. „Wie soll das Kind heissen?“ und zum ersten mal spreche ich den Namen in Anwesenheit meines Babys aus. „Rikki Magdalena Pandora!“

Sie ist ein kleiner Riese. 4310 Gramm, 53cm gross, mit einem Kopfumfang von 34cm. Fast bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich hätte mir ein ganz winziges hilfloses kleines Bündel Mensch gewünscht, aber natürlich muss ich froh sein, dass sie so stark und gesund ist.

Später fragt die Hebamme: „wollt ihr mal die Nachgeburt sehen“? und wir beide staunen, wie gross die ist. Über einen halben Meter lang ist es für uns unglaublich, dass sie mit dem Baby im Bauch von Irena Platz gehabt hat.

Der Moment, an dem ich die Nabelschnur durchschneiden darf, ist schon gar nicht mehr besonders für mich. Die Hebamme hat alles vorbereitet, eine Klemme oberhalb, eine Klemme unterhalb, sauber sterilisiert, drückt sie mir die Schere in die Hand. „Na gut“, denke ich mir, „dann schneide ich sie halt durch…“ Es ist vier Uhr früh und ich bin müde. Jetzt nehme ich meinen Mut zusammen und frage nach dem Raucherzimmer. Jetzt kommt mein schönstes Geschenk von der Hebamme. Ich darf im Kreissaal nebenan das Fenster öffnen und ins Freie hinaus rauchen, ich darf es nur niemand erzählen. 7 Minuten allein für mich. Raum für irgendwelche Gedanken habe ich nicht, aber ich geniesse jeden Zug wie selten zuvor. Dann lässt uns die Hebamme allein, wohl, um uns ein Stück trautes Familienglück ungestört geniessen zu lassen. Aber ich bin müde, Irena auch, Rikki schläft, und ich spreche es zwar nicht laut aus, aber ich will nach Hause.

Um 6.15 Uhr ist es so weit. Irena und Rikki werden in ihr Zimmer gefahren, ein letzter gehauchter Kuss, und ich darf gehen.

„Morgens um halb sieben in Deutschland“, denke ich mir, das ist ein alter bekannter Spruch, aber ich komme nicht darauf, von wo ich ihn kenne.

 

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