Papa sein dagegen sehr.
Rikki Tim-Tom
oder
587 Möglichkeiten, ein Baby falsch zu halten

Ein Fortsetzungstagebuch

Kapitel 3/01

„Papa, Flasche unten!“

Ich möchte mal wieder ein, zwei Seiten schreiben, ich weiß auch schon was, aber es geht nicht.

Diesmal lässt mich Tim nicht.

Immer, wenn ich morgens aufstehe, habe ich mir eine Stunde Zeit für meine Computerarbeit eingeräumt, und eben auch für diese Zeilen.

Wenn ich darf.

Heute lässt mich Tim nicht. Erst hat er mich geweckt, und ich war froh, dass ich eine halbe Stunde länger Zeit habe, aber nur mit Flasche machen und danach Dschungelbuch im Video anschauen gibt er sich nicht zufrieden. Da ist eine Computertastatur schon etwas anderes.

Immer und immer wieder kommt er zu mir gekrabbelt, zieht sich an meinem Stuhl hoch und haut auf alle Tasten oder die Maus, manchmal bevor ich reagieren kann.

Aber schließlich gelingt es mir doch, ihn zu überlisten. Beim Wickeln wehrt er sich mit aller Kraft, die er hat. Er will die Mogli-Lampe einschalten, die an der Wand hängt. Das ist eine Lampe, ungefähr 15 Zentimeter groß, in der Mitte rund und halbkugelförmig ein weißer Leuchtkörper, um den herum Balu, der Bär und Shirkan, der Tiger angeordnet sind. Wenn man auf den Leuchtkörper drückt, geht das Licht an.

Heute nehme ich die Lampe von der Wand und lasse Tim damit spielen. Das gibt mir eine viertel Stunde Ruhe zum schreiben.

Rikki hat vor zwei Wochen Ihren zweiten Geburtstag gefeiert, und in 14 Tagen wird Tim seinen ersten Geburtstag haben.

 

Rikki hat gerade gelernt, wie man in die Schublade kommt, in der die Schokolade versteckt ist. Es aufzuschreiben klingt fast banal, aber wenn man live davor sitzt und sieht, wie sie ihren kleinen Kinderstuhl zum Schrank schiebt, schaut man mit ganz großen Augen zu, was passiert. Der Stuhl steht vor dem Schrank, Rikki klettert drauf und streckt sich, und wirklich, sie kann die Schublade aufziehen. Zum Reinschauen ist sie zu klein, aber sie kann sich hineintasten, und schwups, hat sie die Schokolade in der Hand.

Was sie einmal kann, kann sie immer. Also brauchen wir ein neues Versteck für unseren Vorrat an Süßigkeiten.

Ihre Entwicklung geht jetzt so schnell, dass man manchmal Schwierigkeiten hat, ihr zu folgen. Bisher hat sie nur einzelne Worte gesprochen. Letzte Woche hat sie Ihren ersten zusammenhängenden Satz gesprochen, der verständlich war. Es war im Auto. Rikki sitzt hinten in ihrem Kindersitz, und auf einmal sagt sie zu mir: „Papa, Flasche, unten!“

Ihr Tee ist heruntergefallen, und sie will trinken. Ich freue mich sosehr, dass ich sofort anhalte, und ihr die Flasche gebe. Richtig stolz bin ich auf meine Tochter.
Aber nur 200 Meter. Dann kräht sie wieder: „Papa, Flasche, unten!“

Was sie einmal kann, kann sie immer. Und das Spiel gefällt ihr.

 

Beim Tim warten wir darauf, dass er laufen lernt. Stehen gefällt ihm viel besser, als liegen oder sitzen. Es macht ihm nichts aus, eine Stunde lang an den Wohnzimmertisch gelehnt zu stehen und irgendwelche Sachen zu untersuchen. Dann krabbelt er woanders hin, zieht sich wieder irgendwo hinauf und steht noch eine halbe Stunde angelehnt.

Wenn er es nicht weiß, kann er auch schon stehen. Wenn man ihn loslässt, und er denkt nicht daran, dass er das gar nicht kann, hält er sich bis zu 5 Sekunden in der Balance.

Aber wehe, man will mit ihm angeben und jemandem zeigen, was er alles kann- man hat keine Chance.

Wenn man sehen und erleben will, welche Kraft er schon hat, dann muss man nur darauf warten, dass er stehen will, und versuchen, ihn hinzusetzen. Er wehrt sich mit allem, was er hat. Er biegt seinen Körper, er stemmt die Füße in den Boden und weigert sich einfach, die Füße anzuwinkeln.

Hauptsächlich beim Wickeln muss man darum kämpfen, ihn in die richtige waagerechte Position zu bringen. Wenn er absolut nicht will, muss man richtig stark sein, physisch wie auch psychisch.

 

Und drei Tage später haben wir allen Grund für eine Familienfeier. Jeder hat Großes vollbracht. Ich habe mich bereit erklärt, für den Stadtrat zu kandidieren, Irena hat ihre Gesellenprüfung bestanden, Rikki hat an einem Tag vier mal Pipi in Ihren Topf gemacht, und wenn man den Tim hinstellt, bleibt er wackelig, aber sehr stolz einfach stehen, und er freut sich und strahlt über das ganze Gesicht, wenn alle um ihn herum rufen: „Bravo Tim, weiter, bravo, Du kannst es, super…!“

Und wieder werde ich ein wenig wehmütig, denn wieder heißt es ein Stück mehr Abschied nehmen, von der Babyzeit unserer Kinder.

 

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